Würzburg (POW) Als wichtige Einübung einer synodalen Kultur hat Bischof Dr. Franz Jung den Synodalen Weg bewertet. „Es war eine wertvolle Begegnung von Bischöfen und Nicht-Bischöfen auf Augenhöhe“, sagte er am Freitagabend, 17. März, bei der Frühjahrsvollversammlung des Diözesanrats der Katholiken im Würzburger Exerzitienhaus Himmelspforten. Die Teilnehmenden hätten einander in der eigenen Befindlichkeit und Verantwortung wahrgenommen. „Es war ein Raum voller Verletzungen“, sagte der Bischof. Unter anderem sei die große Vielfalt kirchlicher Wirklichkeit zu spüren gewesen. Die Arbeitsweise des Synodalen Wegs habe er als herausfordernd empfunden. Das habe unter anderem daran gelegen, dass dem Plenum die Diskussion aus den Synodalforen nicht bekannt gewesen sei. Auch die Menge und Lesbarkeit der Texte habe eine Vorbereitung schwer gemacht.
Bei den Versammlungen des Synodalen Wegs bemängelte der Bischof die vorherrschende Diskussionskultur. Argumente und Gedanken seien oft nicht weiterentwickelt worden. Bischof Jung sprach von einer „Hermeneutik des Verdachts“, die er wahrgenommen habe. Oftmals sei es dem Anschein nach mehr um einen Schlagabtausch gegangen, der oft scharfe Ton sei zu seinem Bedauern oftmals nicht durch die Moderation gerügt worden. Im Ergebnis seien daher eher kirchenpolitische Kompromisse zustandegekommen, statt dass alle Beteiligten wirklich auf einer neuen Einsichtsebene angelangt wären. „Geistgewirkte Einheit kommt anders zustande und ist am Ende wahrscheinlich fruchtbarer und nachhaltiger.“
Fortschritte habe das Bistum Würzburg bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs gemacht. So laufe seit Dezember 2022 die Erstellung eines Gutachtens über die Bestandsaufnahme und Aufarbeitung im Zeitraum von 1945 bis 2019. „Auftraggeber dieser Untersuchung ist nicht das Bistum Würzburg, sondern die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des Missbrauchs (UKAM) unter Vorsitz von Professorin Dr. Anja Amend-Traut. Wir sind eines der wenigen Bistümer, das diesbezüglich die Vorgaben der Deutschen Bischofskonferenz einhält“, betonte der Bischof. Ziele des Gutachtens von Rechtsanwalt Professor Dr. Hendrik Schneider aus Wiesbaden seien eine Bestandsaufnahme und Aufklärung der Fälle des sexuellen Missbrauchs, die Untersuchung des administrativen Umgangs der Diözese mit Tätern und Betroffenen sowie die Suche nach Strukturen, welche sexuellen Missbrauch ermöglicht, erleichtert oder dessen Aufdeckung erschwert haben. Nähere Informationen hierzu gibt es im Internet unter ukam-wue.de.
Diözesanratsvorsitzender Dr. Michael Wolf prangerte in seinem „Bericht zur Lage“ an, dass Deutschland zwar das viertgrößte Bruttoinlandsprodukt der Welt habe, aber jeder Sechste ein Einkommen unter der Armutsgrenze habe, bei Kindern sei jedes fünfte von Armut betroffen. „Eigentlich eine unglaubliche Zahl.“ Noch schlimmer sei, dass in kaum einem anderen europäischen Land die Zukunftsaussichten von Kindern so mit dem Bildungsniveau und der sozialen Stellung der Eltern verknüpft seien wie hierzulande. „Wenn wir Armut erkennen, dann sind wir meiner Meinung nach dazu verpflichtet, etwas Wirksames dagegen zu unternehmen. Das ist ein ethischer Anspruch, der nicht nur an die Christen, sondern an alle gerichtet ist“, sagte Wolf. Das gelte auch für Politiker, „ob sie beim Amtseid nun die Endung ‚so wahr mir Gott helfe‘ verwendet haben oder nicht“. Er forderte die Gesetzgeber auf, alles an Unterstützung bereitzustellen, was Kinder für einen gelingenden Lebensweg benötigen
Zugleich rief Wolf dazu auf, dafür Sorge zu tragen, dass den Kindern eine lebenswerte Welt hinterlassen wird. „Der Klimawandel ist in vollem Gange und wir hier in Deutschland erleben langsam, aber sicher dessen Auswirkungen.“ Zwar sei trotz aller, auch durch die Verteuerung und Verknappung von Brennstoff in Folge des Ukrainekriegs, befeuerten Energieeinsparungen das Ziel, den Anstieg der Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, wohl verpasst worden. Dennoch blieben Gebäude und Verkehr die beiden Gebiete, auf denen sozialverträglich, aber effektiv der Energiebedarf reduziert werden müsse. „Dabei dürfen wir die wirtschaftlich Benachteiligten nicht aus den Augen verlieren: Die steigenden Energiekosten stellen einen Teil der Bevölkerung vor die Wahl, entweder eine warme Wohnung oder aber einen vollen Magen zu haben.“
Zu Planung der strategischen Ziele im Bistum merkte Wolf an, dass es bei der Umsetzung dieser Ziele sowohl lachende als auch weinende Gesichter geben werde. „Wir werden einige Dinge in Zukunft vielleicht nicht mehr abdecken können, die mir persönlich wichtig wären, dafür andere verstärkt angehen. Aber genau dafür ist eine Strategie da. Sie ist eine Richtschnur für gemeinsames, zielgerichtetes Handeln.“ Das sei auch notwendig, da sich die „versorgte Kirche“ mehr und mehr in eine „sorgende, eigenverantwortliche Kirche“ wandeln müsse. „Das geschieht nicht im Bischöflichen Ordinariat in Würzburg, das geschieht vor Ort bei Ihnen zuhause.“ Vielleicht werde es in einigen Räumen Probleme mit der Umsetzung geben. „In jedem Fall muss die Umsetzung verfolgt werden und bei Untätigkeit oder Zurückbleiben auf dem Weg erwarte ich Hilfe zur Umsetzung.“
In den zurückliegenden 2000 Jahren habe sich Kirche immer wieder erneuert. „Schaut man zurück auf die Kirchengeschichte, kann einem der Mund vor Staunen offen stehen bleiben, was in der Vergangenheit bereits Usus war und sich im Lauf der Jahrhunderte verloren hat. Und was uns heute als ‚unveränderbar‘ dargestellt wird, war nicht immer so.“
Beim Synodalen Weg seien die wesentlichen Fragen gestellt worden, die die Kirche in die Zukunft bringen werden, „nicht nur hier in Deutschland. Auch wenn sie dem einen oder anderen nicht gefallen. Ein Unternehmen in der Krise muss sich auch auf seine Kernkompetenzen besinnen und mit einem ‚haben wir schon immer oder seit 100 Jahren so gemacht‘ ist es nicht getan.“ Wer polemisiere, der Synodale Weg sei eine Veranstaltung katholischer Eliten in Deutschland, dem könne man entgegenhalten, dass der Vatikan nur eine Elite von studierten Theologen darstelle, die wenig mit der kirchlichen Basis gemeinsam habe. An die Delegierten des Diözesanrats appellierte Wolf: „Bleiben Sie am Ball, reden Sie mit, versuchen Sie unsere Kirche lebendig zu erhalten. Begleiten Sie sie auf dem Weg in eine gute Zukunft.“
Seine Eindrücke vom Synodalen Weg schilderte auch Pastoralreferent Marcus Schuck den Delegierten. Er war als Synodale kein Vertreter des Bistums Würzburg, sondern einer von vier Synodalen, die seine Berufsgruppe auf Bundesebene entsandt hatte. Er sei froh über die Beschlüsse, die zu den Themen Homosexualität, geschlechtliche Vielfalt und Segensfeier für Paare, die sich lieben, getroffen wurden. „Das habe ich in dieser Form nicht erwartet“, sagte Schuck. Interessant sei, dass beim Thema Macht der Grundtext zwar von der Synodalversammlung angenommen worden sei, die Handlungstexte aber nicht. Umgekehrt sei beim Themenbereich Sexualität der Grundtext nicht beschlossen worden, die Folgetexte dagegen schon. Dass es im kirchlichen Arbeitsrecht eine Änderung gegeben habe, bewertete Schuck eher als eine Folge des gesellschaftlichen Drucks, unter anderem durch „#outinchurch“, denn als Ergebnis des Synodalen Wegs, dessen Ausgangspunkt die Ergebnisse der MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch war. „Nicht gut war, dass sich die Konservativen zu früh aus dem Synodalen Weg zurückgezogen haben“, betonte Schuck. Das Ergebnis der Verhandlungen wäre besser gewesen, wäre das Spektrum der Beteiligten weiter gewesen. Viel von dem ursprünglichen Programm verbleibe nun dem Synodalen Ausschuss. Dessen Pensum bezeichnete Schuck als „sehr groß“.
mh (POW)
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