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„Ochs und Esel kennen ihren Herrn“

Interview mit Studentenpfarrer Burkhard Hose, Diözesanleiter des Katholischen Bibelwerks, zur Bedeutung der alttestamentlichen Texte, die in der Adventszeit in der Liturgie verwendet werden – „Jesaja verströmt ungeheure Kraft“

Würzburg (POW) Im Advent rücken Bibeltexte aus dem Alten Testament besonders in den Blick. Im folgenden Interview erläutert Studentenpfarrer Burkhard Hose (45), Diözesanleiter des Katholischen Bibelwerks, deren Bedeutung und erzählt unter anderem auch, wie er sich mit Hilfe der Bibel auf Weihnachten vorbereitet.

POW: Im Advent werden traditionell Texte aus dem Alten Testament als Lesung verwendet. Wieso?

Burkhard Hose: Auch sonst begegnen uns in der Leseordnung Texte aus dem Alten Testament, nicht nur im Advent. Allerdings sind die adventlichen Lesungen besonders ausdrucksstark. Es sind bildreiche Verheißungstexte, die aus der Erwartung der endzeitlichen Ereignisse heraus formuliert wurden. Man ersehnte sich ein „Ende der Tage“, mit dem sich für Israel die Hoffnung auf die Wiederherstellung sozialer Gerechtigkeit, des Friedens und die Sammlung der Völker am Zion verband. Schon die neutestamentlichen Autoren haben diese Texte mit Blick auf das Leben und die Botschaft Jesu hin gelesen und interpretiert. Man sah die alttestamentlichen Verheißungen in Jesus erfüllt. Diese Perspektive ist in die Zusammenstellung der Leseordnung der Kirche übergegangen.

POW: Welche Texte sind dabei von zentraler Bedeutung?

Hose: Alle alttestamentlichen Lesungen entstammen den Prophetenbüchern. Zentral in der Reihe der Lesungen in der Adventszeit ist sicher Micha 5,1-4a. Der Text wird in diesem Jahr am vierten Adventssonntag gelesen und spricht von einer Rettergestalt, die am Ende der Tage in Betlehem, der Stadt Davids, geboren werden soll. Die hier formulierte Erwartung wurde in den Kindheitserzählungen des Lukas und vor allem des Matthäus mit dem Lebensweg Jesu verknüpft. Man identifizierte Jesus von Nazareth mit dem verheißenen Retter Israels. Insofern findet sich hier die maßgebliche theologische Deutung der Person Jesu in der frühen Christenheit.

POW: Gibt es Bibelstellen im Alten Testament, die Ihrer Meinung nach besonders gut zur Einstimmung auf das Weihnachtsfest geeignet sind?

Hose: Neben den Lesungen, die uns in diesem Jahr aus verschiedenen Prophetenbüchern begegnen, sind für mich persönlich die Jesajatexte der anderen Lesejahre wertvolle Begleiter durch die Adventszeit. In sehr konkreten und farbigen Bildern entwirft Jesaja die Vision einer Welt, die sich so ganz von der erlebten Realität unterscheidet. Jesaja verströmt in seinen Texten für mich eine ungeheure Kraft. Die Welt muss nicht auf ewig so bleiben wie sie ist. Gerechtigkeit und Frieden sind möglich – eine Erfahrung, die offensichtlich Menschen in der Begegnung mit Jesus von Nazareth konkret gemacht haben. Von ihm ging eine Kraft aus, die Menschen einlud, die Welt neu zu denken.

POW: Woher rührt der Brauch, in der Krippe Ochs und Esel aufzustellen, obgleich in der Weihnachtserzählung bei Lukas von beiden Tieren keine Rede ist?

Hose: Das liegt vor allem an den vielen Künstlern, die seit Jahrhunderten Jesu Geburt in Bildern, Liedern, Geschichten, Krippenfiguren und Weihnachtsanspielen dargestellt haben. Ochs und Esel werden zwar nicht im Neuen Testament erwähnt, sie haben aber wegen einem Vers aus dem Alten Testament ihren festen Platz in der Weihnachtsgeschichte gefunden. Gleich zu Beginn des Jesajabuches findet sich folgende Bemerkung: „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt‘s nicht, und mein Volk versteht‘s nicht.“ (Jes 1,3) Diesen Vers hat man dann mit der in Lukas 2,7 erwähnten Krippe in Verbindung gebracht und einfach Ochs und Esel an der Weihnachtskrippe platziert. Der Zusammenhang bei Jesaja ist dabei ein etwas anderer: Der Vers stammt aus einer Klagerede Gottes über sein Volk Israel. Jesaja lässt die Israeliten hören, was Gott ihnen zu sagen hat. Und es wird deutlich, dass Gott tief enttäuscht und zornig ist. Sein Volk hat sich von ihm abgewandt. Sie wollen einfach nichts mehr von ihm wissen. Sie schauen sich lieber nach anderen Göttern und Vergnügungen um, und lassen den Gott ihrer Vorfahren links liegen. Gott klagt nun über diesen Unglauben und das fehlende Vertrauen. Er sagt: Sogar Ochs und Esel sind schlauer als ihr – die kennen nämlich ihren Herrn! Ochs und Esel wissen, wo ihre Futterkrippe steht. Sie wissen, wer sich um sie kümmert und wer sie versorgt. Ganz instinktiv bleiben sie bei ihrem Futtertrog und warten darauf, dass sie von ihrem Herrn was zu futtern bekommen.

POW: Was sagt der aktuelle Stand der Forschung zu den alttestamentlichen Texten? Erfüllen sich in Jesus alle prophetischen Aussagen über den Messias?

Hose: Das Schema Verheißung-Erfüllung kann man nur richtig verstehen, wenn man es nicht auf historische Fakten hin verkürzt, sondern es theologisch einordnet. Kurz gesagt: Die Kindheitserzählungen des Lukas und des Matthäus liefern uns weniger eine Dokumentation historischer Abläufe, sondern vielmehr eine gläubige Deutung der Anfänge im Leben Jesu vor dem Hintergrund der Traditionen des Judentums. Schriftkundig fügen sie in die Geburtsgeschichten Zitate aus dem Alten Testament ein – ja mehr noch: Sie gestalten bewusst die Erzählung der Geburt und Kindheit Jesu um die zentralen alttestamentlichen Verheißungstexte herum. Der Glaube an die Auferweckung Jesu und die Erfahrungen, die Menschen in der Begegnung mit ihm gemacht hatten, ließen die Evangelisten zu der Überzeugung kommen: Er muss der verheißene Retter des Volkes Israel sein. Entsprechend gestalten sie ihre Kindheitsgeschichten kunstvoll in Anlehnung an die Prophetentexte. Letztlich ist für sie nicht entscheidend, ob beispielsweise Betlehem der historische Geburtsort Jesu gewesen ist. Wichtig ist, dass es sich dabei um den „theologischen Geburtsort“ handelt. Sie sagen: Wenn Jesus der verheißene Messias aus dem Stamm Davids ist, dann muss er auch – gemäß der Verheißung – in der Stadt Davids geboren worden sein.

POW: Wie gestalten Sie persönlich mit der Bibel die Adventszeit?

Hose: Seit zwei Jahren gestalte ich in einer Arbeitsgruppe des Katholischen Bibelwerks zusammen mit anderen Theologinnen und Theologen die Arbeitsmaterialien für das sogenannte „Lectio Divina“-Projekt des Bibelwerks. Anliegen des Projekts ist es, die alttestamentlichen Texte der Advents- und Fastenzeit exegetisch und spirituell für Gruppen zu erschließen, die sich bewusst auf die Sonntagslesungen dieser Zeiten einlassen wollen. Das „Lectio Divina“-Projekt ist für mich persönlich der eine Weg der intensiven Begegnung mit den Texten. Darüber hinaus empfinde ich es als Geschenk und als Herausforderung, gerade über die adventlichen Texte predigen zu dürfen. Die Predigtvorbereitung ist nicht nur Arbeit, sondern ich sehe für mich darin die Chance, kontinuierlich mit der biblischen Botschaft zu leben, sie mit meinen Erfahrungen zu verbinden und andere Menschen dazu einzuladen, mit mir zusammen über diese Texte nachzudenken.

(4812/1230; E-Mail voraus)

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