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„Die Gemeinden vor Ort stärken“

Überlegungen zur Zukunft von Gemeindeleben und Seelsorge im Bistum – Generalvikar Keßler: „Pastoralräume sollen Lebensräume widerspiegeln“ – Endgültige Entscheidungen erst nach Einbeziehen der Gremien der Diözese

Würzburg (POW) Der Allgemeine Geistliche Rat hat sich in einem Votum vom 23. Februar 2016 für eine Neuordnung der Pfarreien im Bistum Würzburg ausgesprochen. Welche Überlegungen dahinter stehen und was das in der Umsetzung bedeuten kann, erläutert Generalvikar Thomas Keßler im folgenden Interview.

POW: Nach der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften geht die Pastoralplanung im Bistum Würzburg in die nächste Runde. Welche Grundüberlegung steht hinter dieser Fortführung der Pastoralplanung?

Generalvikar Thomas Keßler: Die Lebenswelt der Menschen in unserer Gesellschaft ändert sich schnell. Dennoch haben die Menschen in der Regel zwei Bezugsgrößen: Einerseits die unmittelbare Umgebung, also beispielsweise das Dorf oder den Stadtteil; andererseits den größeren Lebensraum, in dem sie arbeiten, einkaufen, zur Schule gehen. Dem wollen wir langfristig gerecht werden. Wir wollen deshalb zum einen die Gemeinden vor Ort stärken. Zum anderen möchten wir auf der Ebene der größeren Lebensräume Strukturen schaffen, in denen wir die Seelsorge gewährleisten können.

POW: Der Allgemeine Geistliche Rat hat sich mit einem Votum positioniert. Welche Botschaft geben Sie den Katholiken mit diesem Votum?

Keßler: Die Botschaft heißt: Der Bischof und seine engsten Mitarbeiter nehmen die Veränderungen wahr und ernst. Sie machen einen Vorschlag, wie sie sich die Zukunft von Gemeindeleben und Seelsorge vorstellen können. Dieser Vorschlag beinhaltet zunächst einmal nur einen Rahmen: die Zuordnung von Pfarrei auf Ebene des größeren Lebensraums und der Gemeinde vor Ort. Endgültige Entscheidungen trifft der Bischof erst, wenn er die Gremien der Diözese in die Diskussion einbezogen hat.

POW: Was erwarten Sie sich von den Gremien, denen Sie in den kommenden Monaten das Votum vorstellen werden? Was können und sollten diese in die Planungen einbringen?

Keßler: Wir möchten wissen: Wie muss aus Sicht der Seelsorgerinnen und Seelsorger und aus Sicht der ehrenamtlich Tätigen der Rahmen ausgestaltet werden, damit tatsächlich die Gemeinden vor Ort gestärkt werden und Seelsorge gelingen kann? Wir freuen uns über bestärkende Reaktionen, aber wir wollen auch Sorgen ernst nehmen und in die Planung einbeziehen.

POW: Wie stellen Sie sich eine Pfarrei der Zukunft vor? Was verstehen Sie unter größeren pastoralen Räumen?

Keßler: Ich stelle mir die Pfarrei als Gemeinschaft von Gemeinden vor, in denen viel eigenständiges Leben möglich ist. Der Pfarrer und das Seelsorgeteam begleiten das Volk Gottes, das in den Gemeinden lebt, geistlich, und der Pfarrer leitet es. Die Pfarreien als Pastoralräume sollten nach Möglichkeit die Lebensräume der Menschen widerspiegeln.

POW: Wenn zukünftig im Bistum wenige Dutzend Pfarreien bestehen, die aus „Gemeinden“, also den ehemaligen Pfarreien, Kuratien und Filialen, bestehen: Was bedeutet das dann für die bisherigen Gremien wie Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung?

Keßler: Die Pfarrei sollte jeweils einen Pfarrgemeinderat und eine Kirchenverwaltung haben. Die Leitung der Gemeinden soll soweit möglich in den Händen der Gläubigen selbst liegen, wobei die Verantwortung des Pfarrers nicht übergangen werden darf. Dafür kann es unterschiedliche Formen der Leitung geben: ein Team, einen Rat, eine beauftragte Einzelperson. Um Aufgaben vor Ort zu finanzieren, beispielsweise den Unterhalt der Kirche oder anderer Gebäude, können Förderstiftungen bestehen.

POW: Wie sieht das Profil der Seelsorger und da insbesondere der Priester in diesem Zukunftskonzept aus? Gibt es genug und passendes Personal?

Keßler: Die Rolle der Seelsorgerinnen und Seelsorger wandelt sich noch stärker als bisher hin zum Begleiter der Gläubigen, die vor Ort das Leben der Gemeinden gestalten. Zugleich sollen sie jene seelsorglichen Angebote machen, die mit ehrenamtlichen Kräften nicht zu stemmen sind, und natürlich die Sakramente spenden. Unter den Priestern wird es jene geben, die in diesem Sinne in den Seelsorgeteams der Pfarrei ihren Dienst einbringen. Daneben wird es die Pfarrer geben, die darüber hinaus das Team leiten und für alle Gemeinden die Verantwortung tragen. Ich denke schon, dass wir dafür auch langfristig genügend Personal haben. Wichtig wird Teamfähigkeit sein und die Bereitschaft, den Menschen etwas zuzutrauen und sie im Glauben und in ihrer Verantwortung für ihre Gemeinde zu unterstützen.

POW: Wie sollte ein Seelsorgeteam in einer solchen Einheit arbeiten?

Keßler: Für jede Gemeinde sollte ein Mitglied des Seelsorgeteams der Hauptansprechpartner oder die Hauptansprechpartnerin sein. Zugleich sollen die Seelsorgerinnen und Seelsorger ihre Schwerpunkte setzen – zum Beispiel in der Seelsorge für Kranke oder Senioren, in der Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente, in der Sorge um Flüchtlinge. Insgesamt müssen sie als Team eng zusammenarbeiten.

POW: Welche Rolle können und sollen die Ehrenamtlichen in den neuen Pfarreien beziehungsweise in den Gemeinden und Gemeinschaften spielen?

Keßler: Papst Franziskus weist in seinem Apostolischen Schreiben „Die Freude des Evangeliums“ darauf hin, dass alle Christen aufgerufen sind, das Evangelium zu verkünden und zu leben. Ehrenamtliche sind also keine Lückenbüßer nach dem Motto „Wir müssen jetzt die Hauptamtlichen ersetzen“. Als Getaufte und Gefirmte haben sie die Berufung, ihr Leben aus dem Geist des Evangeliums zu gestalten. Dazu kann es auch gehören, Gemeinden und Gemeinschaften mit zu tragen, die frohe Botschaft weiterzusagen, sich um die zu kümmern, die Hilfe brauchen, und im Gottesdienst den Glauben zu feiern. Nicht jeder und jede muss alles tun. All das sollen sie tun, soweit es ihnen aus eigenen Kräften möglich ist.

POW: Pfarreiengemeinschaften sind zum Teil noch immer in einem Findungsprozess. Überfordert die nächste Änderung vielleicht die Menschen vor Ort?

Keßler: Ganz bewusst soll keine feste Frist gesetzt werden, innerhalb derer alle künftigen Pfarreien gegründet sein müssen. Außerdem sind Zwischenschritte möglich. Aber wichtig ist, dass einmal ein Ziel vor Augen steht.

POW: Was können Sie denjenigen entgegnen, die Angst haben vor möglichen großen Einheiten, in denen der einzelne Ort oder Stadtteil nur ein Teil von vielen ist? Gerade in kleinen Dörfern ist nach dem Wegfall von Laden und Wirtshaus die Kirche oft der einzige verbliebene Treffpunkt. Verliert Kirche ihr „Gesicht vor Ort“?

Keßler: Nein. Es geht nicht um eine Zentralisierung. Die rechtliche Form der Pfarrei ist vielmehr ein Rahmen, der das Leben in den Gemeinden vor Ort ermöglichen soll. Gerade durch diesen Rahmen kann Kirche ihr Gesicht vor Ort behalten oder neu gewinnen.

POW: Sie können aus Ihrer langjährigen Zeit als Pfarrer und Dekan auf eine umfassende Erfahrung als Seelsorger vor Ort blicken. Was stimmt Sie beim Blick auf die Weiterentwicklung der Seelsorge im Bistum Würzburg optimistisch?

Keßler: Durch vereinfachte Strukturen und durch eine Unterstützung durch professionelle Verwaltung wird den Gläubigen, die sich in den Gemeinden engagieren, eine Last genommen. Und für die Seelsorgerinnen und Seelsorger kann sich durch diese Entlastung ein Wunsch erfüllen: näher bei den Menschen zu sein.

POW: Wenn Sie 50 Jahre vorausschauen könnten: Was würden Sie gerne im Rückblick als Einschätzung über die geplanten Veränderungen der kommenden Jahre im Bistum Würzburg hören?

Keßler: Ich möchte keine Prognosen stellen. Aber mich trägt das Vertrauen, dass wir als Kirche im Aufbruch zu den Menschen sind und dass unsere Strukturen die Kräfte freisetzen, die Frohe Botschaft zu verkünden. Perfekt werden wir dabei niemals sein. Aber wir müssen uns auf den Weg machen.

Interview: Markus Hauck (POW)

(1116/0318; E-Mail voraus)

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